Förderbeginn 01.07.2015
Retinale und kortikale Signalwege bei altersbedingter Makuladegeneration

Prof. Dr. Mark Greenlee
Universität Regensburg
Fakultät für Psychologie- Institut für Experimentelle Psychologie

Prof. Dr. John S. Werner
University of California, Davis
Department of Ophthalmology and Vision Science

Makuladegeneration ist die Hauptursache für Erblindung in Industriestaaten, die meistens ältere Personen betrifft (altersbedingte Makuladegeneration, AMD). Es ist nun möglich, diese Krankheit nicht nur als Störung der Funktion der Retina zu verstehen, sondern innerhalb des weiteren Kontexts neuronaler Degenerationen zu betrachten. Retinale Bildgebung erlaubt die Darstellung von Details der Erkrankung im Mikrometerbereich, während die Faserverbindungen zu zentralen Arealen des Gehirns in vivo mittels diffusionsgewichteter Bildgebung (diffusion tensor imaging, DTI) nachverfolgt werden können. Wir beabsichtigen, eine Gruppe von Personen mit AMD, eine Gruppe von Personen mit länger bestehender Makuladegeneration, die jüngere Menschen betrifft (Morbus Stargardt), und eine Gruppe gleichaltriger, normalsichtiger Kontrollpersonen zu untersuchen. Wir werden zentrale Bereiche der Netzhaut, die von Verlust der Sehkraft betroffen sind und mittels Mikroperimetrie identifiziert werden, korrelieren mit Veränderungen in der äußeren Retina (Photorezeptoren und retinales Pigmentepithel), sowie mittels DTI deren Projektionen ins Gehirn weiterverfolgen. Die Ergebnisse werden uns Erkenntnisse über Veränderungen im Gehirn liefern, die mit frühen und späteren Stadien der Makuladegeneration assoziiert sind. Während neue und vielversprechende Behandlungsformen verfügbar werden, die das Fortschreiten der retinalen Schädigung bei diesen Patienten eindämmen können, sowie sich neue Behandlungsmöglichkeiten im Rahmen von Stammzell- und Gentherapien eröffnen, wird es von essentiellem Interesse sein, Erkenntnisse darüber zu haben, was im Gehirn auf höheren visuellen Verarbeitungsebenen an Veränderungen zu erwarten ist - mit dem Ziel, damit Rehabilitationsmöglichkeiten unterstützen zu können. Wir versprechen uns davon ein allgemein besseres Verständnis der altersbedingten Makuladegeneration, aber weitergehende Veränderungen entlang der visuellen Verarbeitungswege gelten als sicher, insbesondere bei Personen mit seit langem bestehenden Netzhautläsionen. Diese Studie soll unser Verständnis neuronaler Pathologien stärken, die mit der Makuladegeneration in Verbindung stehen.

Die Makuladegeneration (MD) betrifft die zentrale Netzhaut und beeinträchtigt vor allem das Sehen von Farben, Gesichtern und feinen Details in der Mitte des Gesichtsfelds. Als Folge werden großen Teile der Sehbahn nicht mehr adäquat stimuliert. Die neuro-anatomischen Folgen solcher fehlhaften Aktivierungen sind bereits bei anderen Erkrankungen bekannt. Unser Ansatz geht davon aus, dass die MD nicht nur Netzhautfunktionen beeinträchtigt sondern auch zu Veränderungen in den Nervenfasern, die die Sehbahn ausmachen, führt.

Um diese Hypothese zu testen haben wir bisher sechs MD Patienten und sechs gesunde Kontrollprobanden untersucht. Dabei verwendeten wir die spectral-domain optical coherency tomography (SD-OCT), um Schäden in der retinal nerve fiber layer (RNFL) Schicht um die Papilla der Netzhaut zu bestimmen. Ein Siemens 3-Tesla Magnetresonanztomograph wurde verwendet, um Diffussionsgewichtete (DTI) und hoch aufgelöste T1-gewichtete Bilder des Gehirns zu gewinnen. MRT-Daten wurden mit Vistalab Software (https://github.com/vistalab/vistasoft/) ausgewertet. Probabilistische Fiber-Trackings wurden mit dem ConTrack Toolbox durchgeführt, um Fasern des optischen Trakts (OT) und der optischen Strahlung (OR) zu identifizieren. Fraktionale Anisotropie (FA), axiale und radiale Diffusivitätswerte (AD, RD) wurden entlang der OT und OR geschätzt.

Beim Vergleich zwischen der RNFL-Dicke in der Netzhaut von MD und der der Kontrollprobanden stellten wir eine Verdünnung der RNFL-Dicke auf der temporalen Seite der Netzhaut fest (t-test, p= 0.006, der Effekt entspricht eine Reduktion von 16%). Die RNFL-Dicke war ebenfalls nasal reduziert (7%), allerdings war der Effekt an dieser Stelle nicht signifikant, p>0.05. Beim Vergleich der mittleren RNFL Dicke haben wir eine Reduktion bei den MD-Patienten (t-test, p<0.0001) festgestellt.

Traktprofile der OT bzw. der OR bei den Patienten wurde mit denen der Kontrollgruppe verglichen. Wir stellten eine signifikante Verminderung der FA Werte bei MD-Patienten fest. Diese Unterschiede sind sowohl für die OT-Werte (Wilcoxon's rank-sum test, p<0.01) als auch für die OR-Werte gültig (Wilcoxon's rank-sum test, p<0.00001).

Weitere statistische Analysen zeigten einen signifikanten Haupteffekt der Gruppen bezüglich der mittleren AD-Werte der OR (p<0.00001). Wir beobachteten einige Veränderungen der AD-Werte bei Patienten im OT, allerdings waren diese Unterschiede nicht signifikant (p = 0.4). Mittlere RD-Werte waren signifikant höher in der OR im Vergleich zu den Werten der Kontrollgruppe (Wilcoxon's rank-sum test, p<0.00001). RD zeigte einen Trend zu einer Erhöhung der OT Werte bei Patienten, jedoch nicht signifikant (Wilcoxon's rank-sum test, p = 0.08).

Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass die RNFL und die weiße Substanz der visuellen Bahnen signifikant bei MD-Patienten betroffen sind. Schädigung der Fotorezeptoren bei der MD führt zu einer Atrophie der Ganglienzellaxonen und zu entsprechender Veränderung der strukturellen Eigenschaften der zentralen visuellen Bahnen.

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